Notenwender – die Person, ohne die Konzerte kaum glatt laufen könnten, und der dennoch sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Was macht so ein Seitenumblätterer, oder wie er auch sarkastisch oft genannt wird, „Blattlaus“, und warum wird er überhaupt benötigt?
Ein Notenwender ist der Assistent des Musikers. Seine Aufgabe besteht darin, die Notenblätter gemäß des Ablaufes der gespielten Musik rechtzeitig und rasch um eine Seite umzublättern. Der Grund für seine Anwesenheit ist, dass der Musiker oft keine freie Hand hat um selbst umzublättern, da es sonst zur Unterbrechung des Stückes kommen würde.
Normalerweise wird ein Notenwender beim Spielen auf Tasteninstrumenten gebraucht, da die Notationen häufige Seitenwechsel erfordern und der Musiker beide Hände an der Tastatur lassen muss. Während eines Konzertes sitzt der Notenwender vom Publikum abgewandt – also zwischen Musiker und Hinterbühne und steht aus praktischen Gründen zum Umblättern auf.
Aber wird eine sogenannte Blattlaus wirklich so oft gebraucht? Man sieht ihn meistens in Gattungen, in denen eine auswendige Darbietung unüblich ist, was besonders in der Kammermusik der Fall ist. Auch bei schnellen Stücken mit wenig Pausen wird ein Notenwender dringen benötigt. Bei der Orgel übernimmt der Registrant die Einrichtung des Registers und zusätzlich auch die Aufgabe des Notenwenders.
Ein Notenwender benötigt fortgeschrittene Musikkenntnisse, da er die gespielte Musik mit den Noten vergleichen muss und auch den Ablauf (vor allem Wiederholungen und Pausen) kennen sollte. Zudem ist es unbedingt notwendig, dass er auch die Signale des Künstlers versteht um rechtzeitig umblättern zu können. Im Normalfall handelt es sich hierbei nicht um studierte Berufsmusiker und sie sind meistens auch nicht bei Konzerthäusern oder Konzertveranstaltern angestellt, sondern sind nebenberuflich auf Honorarbasis tätig.
Auch die großen Künstler wie Ludwig Van Beethoven hatten ihren Notenwender. Ignaz von Seyfried war bei seiner Uraufführung des dritten Klavierkonzerts sein Seitenumblätterer und hatte damals offensichtlich große Schwierigkeiten. Die Noten sollen aus fast leeren Blättern und unverständlichen Hieroglyphen bestanden haben. Paul Hindemith hingegen stieß auf einige Probleme, da nach Konzerten die Noten von zwei Stücken verschollen waren. Man spekulierte, dass hier der Notenwender seine Finger im Spiel hatte und die Notenblätter mitgehen ließ.
Aktuell gibt es auch eine bekannte Notenwenderin: Gisela Renner ist seit 34 Jahren in Berlin Notenwenderin und bekam zufällig einen Anruf der Philharmonie um den vorgesehenen Notenwender des Abends zu substituieren. Seit dem Tag an ist sie dort und wird aber meistens persönlich von Pianisten kontaktiert, um sie bei ihren Konzerten zu begleiten. Daher handelt es sich um ein tieferes Vertrauensverhältnis zwischen den Musikern und ihr, da man sich nach längerer Zusammenarbeit schon besser kennt. Die Hauptaufgabe eines Notenwenders, so Gisela Renner, ist es, ruhig zu bleiben und vor allem auch Ruhe auszustrahlen.
Für den Notenwender spielt auch die Konsistenz des Papiers eine wichtige Rolle. Die neueren Papierformate sind mit mehr Kunststoff versetzt und machen somit während der Konzerte mehrere Geräusche und sind viel unflexibler als die früheren Notenblätter.
Im 19. Jahrhundert gab es sogar Versuche, die Noten mittels technischer Apparate umzublättern. Im Laufe der Zeit entstand auch die Möglichkeit, die Noten auf einem Bildschirm anzuzeigen mit einem dazugehörenden Computerprogramm. Diese Programme wechseln die angezeigte Seite automatisch oder werden über ein Pedal gesteuert. Eine solche Technik verwendeten auch die Bamberger Symphoniker im Jahr 2000, schafften sie aber bald wieder ab.
Mag es daran liegen, dass eine Maschine nicht den Menschen ersetzen kann? Dass eine Maschine die Nuancen der Musik nicht ausreichend interpretieren kann, um immer zur richtigen Zeit zum Einsatz zu kommen? Obwohl der Notwender sich stets im Hintergrund hält und kaum auffällt, ist er trotzdem unentbehrlich für den Musiker und somit für das gesamte Werk.